Wieder konnte REPGOW sich beim BGH für einen Nutzer gegen den mittlerweile in „Meta“ umbenannten Konzern aus dem Silicon Valley durchsetzen – gegen anderslautende Urteile der Vorinstanzen. Der BGH hat erneut deutlich gemacht, dass er an seiner Linie vom Sommer 2021 festhält. Das besondere an diesem Fall: Das LG Nürnberg-Fürth hielt den Beitrag des Nutzers sogar für volksverhetzend – was der BGH in einem einzigen Satz abräumte…
Ein angebliches Nostradamus-Zitat, „Nazi-Schreier“, „NAZI-sein“ und „antrabender Musel“
Gegenstand des Verfahrens, das vor dem LG Nürnberg-Fürth begann und jetzt mit einem für die Meinungsfreiheit erfreulichen Ergebnis vor dem BGH endete, waren insgesamt vier Sperren, die sich der Kläger für vier Beiträge einfing. Im einzelnen ging es um folgende Texte:
- „Frei nach Nostradamus vor über 500 Jahren schrieb er und sie werden kommen über das Meer wie Heuschrecken aber es werden keine Tiere sein“
- „Liebe Nazischreier! Nazis oder Nasis bzw. Nasiräer sind gemäß der Bibel „Heilige, von Gott auserwählte Personen“, genannt nach dem heiligen Herkunftsort „Nazareth“ („En-Nasira“, Brockhaus). Lasst euch nicht verarschen Leute! Schluss mit den Lügen!“
- „Wenn Nazi sein heute heißt
-die Familie zu schützen
-sein Erreichtes zu verteidigen
-Ordnung zu schaffen
-Ungerechtigkeit zu bekämpfen
-Willkür zu begegnen
-seine Meinung zu vertreten
-den Politzirkus infrage zu stellen
-Kriegsgegner zu sein
Dann bin ich gerne Nazi!“ - (als Kommentar zum Beitrag eines anderen Nutzers, der Sorge vor Angriffen aggressiver Muslime äußerte) „Betreibe einfach kommando krav maga (stufe 2!) dann können musels ruhig antraben“
Alle Beiträge stammen aus dem Jahr 2018, in dem auf www.facebook.com insbesondere die Masseneinwanderung von 2015 und deren Folgen intensiv diskutiert wurden – und zwar nicht ohne dass Gegner dieser Masseneinwanderung generell als „Nazis“ beschimpft wurden. In allen vier Fällen wurde der Nutzer für jeweils 30 Tage gesperrt und wurden die Beiträge gelöscht.
Ob das Nostradamus zugeschriebene Zitat tatsächlich von ihm stammt, ist unklar. Ebenso ist die Herleitung des Begriffes „Nazi“ aus einem biblischen Begriff sicher falsch, weil der Begriff „Nazi“ in den 20er Jahren für die NS-Angehörigen geprägt wurde. Aber maßgeblich für die rechtliche Bewertung eines Beitrages ist nicht, ob dieser inhaltlich stimmt. Ebenso darf es in einem Rechtsstaat keine Rolle (gar keine) spielen, ob man die Meinung des Äußernden teilt, nicht teilt, ablehnt oder gar verabscheut. Deswegen kämpfen wir bei REPGOW auch dann für unsere Mandanten, wenn es sich um „grenzwertige“ oder „unangemessene“ Beiträge handelt – wir finden, dass nicht Facebook, sondern alleine der einzelne Mensch darüber zu befinden hat, was er denkt und meint.
Politische Justiz in erster Instanz – vorsichtige, aber unzureichende Korrektur in der zweiten
Das LG-Nürnberg-Fürth wies die Klage nicht nur ab, sondern erwies sich leider einmal mehr als politisch orientiert. Die Vorsitzende der 11. Zivilkammer leitete den Vorgang an die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth weiter mit dem klaren Auftrag, ein Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen „Volksverhetzung“ (§ 130 StGB) einzuleiten. Dabei behauptete die Kammer, dass mit dem angeblichen Nostradamus-Zitat Menschen mit Tieren gleichgesetzt würden (ein sehr häufiger Anwendungsfall des § 130 StGB) – und dass, obwohl das Zitat sogar ausdrücklich klarstellt, dass das nicht der Fall ist. Auch andere Gerichte, z.B. die OLG Stuttgart und Braunschweig, hatten ähnliche Beiträge bereits vereinzelt als volksverhetzend oder zumindest „Hassrede“ eingestuft.
Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth erwies sich indes jedenfalls im Jahr 2018 noch als „politikfest“ und stellte das Ermittlungsverfahren umgehend nach § 170 Abs. 2 StPO ein – weil ersichtlich keine Straftat vorlag.
Das Zivilverfahren ging indes weiter. Das OLG Nürnberg, das über die Berufung unseres Mandanten zu entscheiden hatte, war bei seiner Beurteilung zumindest etwas zurückhaltender und stufte keinen der vier Beiträge als strafbar ein, auch nicht das Nostradamus-Zitat. Allerdings hielt der dortige Senat in allen vier Fällen die „Hassrede“-Vorschriften Facebooks für verwirklicht und die Zensur Facebooks damit aufrecht.
Urteil des BGH
Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 27.01.2022, Az. III ZR 12/21) gab unserem Mandanten nun recht.
Zum einen wiederholte der Senat nochmals die bereits mit den sensationellen Urteilen vom Juli 2021 getroffenen Aussagen. Die damaligen (und damit auch gegenwärtigen) Nutzungsbedingungen Facebooks verstoßen gegen AGB-Recht, weil sie kein ausreichendes Anhörungsrecht vorsehen. Das ist indes schon deswegen wichtig, weil damit eine seit Sommer zu beobachtende Prozessbehauptung Facebooks widerlegt wird, wonach der BGH in Wirklichkeit seine Entscheidung übereilt getroffen habe und einen Rückzieher machen werde – weit gefehlt.
Was die vier Beiträge betrifft, ist das Urteil des BGH aber eine heftige Ohrfeige für linke Justizaktivisten in Landgerichten und Oberlandesgerichten, die nur allzu schnell mit dem Schwert des Strafrechts unliebsame Meinungsäußerungen von rechts erschlagen wollen. Der BGH schreibt:
„Die Revisionserwiderung macht jedoch nicht geltend, dass die streitgegenständlichen Beiträge den – allenfalls in Betracht kommenden – Straftatbestand der Volksverhetzung gemäß § 130 Abs. 1 oder 2 StGB erfüllen. Zu einer derartigen Annahme besteht unter Berücksichtigung des Grundrechts des Klägers auf freie Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG auch kein Anlass.„
Wo also das LG Nürnberg-Fürth einen Mensch-Tier-Vergleich sehen wollte, der klar einen Straftatbestand verwirklicht, wischte der BGH den bloßen Gedanken als abwegig vom Tisch.
Ausblick
Das dritte Urteil des BGH zur Zensur auf Facebook ist damit in doppelter Hinsicht wichtig. Nicht nur zementiert der BGH seine Rechtsansicht (und verpflichtet damit die OLG auf Gefolgschaft), sondern schreibt ihnen auch hinter die Ohren, dass eine vorschnelle Einstufung eines Textes als „Volksverhetzung“ nicht in Frage kommt. Bedauerlich, dass man vier Jahre lang durch drei Instanzen prozessieren muss, um zu dieser Erkenntnis zu kommen…
REPGOW kämpft weiter für die Meinungsfreiheit.