Youtube, Facebook und das böse N-Wort – eine juristische Betrachtung

Sowohl Youtube als auch Facebook löschen nach wie vor Beiträge, die das Wort „Neger“ enthalten, und zwar unabhängig vom jeweiligen Zusammenhang. Dass das rechtswidrig ist, stand aber schon vor den BGH-Urteilen zu den Facebook-AGB fest. REPGOW konnte schon vor einem Jahr eine wegweisende Entscheidung dazu erreichen.

Die gesellschaftliche Debatte

Während das Wort „Neger“ noch in den Siebzigern des letzten Jahrhunderts im deutschen Sprachgebrauch völlig wertfrei als Bezeichnung für Schwarze verwendet werden konnte (und verwendet wurde, selbst im öffentlichen Rundfunk), hat es in der öffentlichen oder zumindest veröffentlichten Wahrnehmung vieler mittlerweile eine überwiegend pejorative, also abwertende Bedeutung. Das Problem dieses Sprachwandels ist dabei, dass er nicht im deutschen Sprachraum insgesamt stattfindet, sondern nur in den Echokammern der gesellschaftlichen Oberschicht. Während dort das Wort ausschließlich als rassistische Beleidigung gilt, verwenden viele Menschen im Alltag das Wort noch immer völlig wertfrei. Gesellschaftlich gesehen ist der Kampf um das N-Wort einer der Schützengräben des heutigen Kulturkampfes.

Das rechtliche Problem mit dem N-Wort

Für Sperren von Nutzern auf Facebook oder Youtube dagegen kommt es zunächst einmal gar nicht so sehr auf diese Sprachentwicklung oder „Sprachpolitik“ an. Denn für jede Rechtsfrage gilt: Auf den Einzelfall kommt es an. Und bei Meinungsäußerungen oder z.B. Berichten über Leebenssachverhalte ist rechtlich schon immer entscheidend gewesen, wie der durchschnittliche Empfänger einer Botschaft diese versteht. Weder (angebliche) heimliche Absichten des Facebook-Nutzers sind relevant noch hysterische, lebensfremde Vorstellungen Einzelner (auch wenn das nicht jedes Gericht im Einzelfall korrekt anwendet). Für das N-Wort gilt damit Folgendes:

  • Klar ist, dass das Wort abwertend und beleidigend gemeint sein kann. Wer eine andere Person afrikanischer Abstammung z.B. als „dummen Neger“ bezeichnet, oder davon spricht, dass „Neger keine Menschen“ wären, will selbstverständlich einen bestimmten Menschen oder eine ganze Gruppe abwerten und/oder erniedrigen. Solche Äußerungen können auch Straftatbestände wie etwa § 185 StGB (Beleidigung) oder § 130 StGB (Volksverhetzung) erfüllen. In solchen Fällen liegt in den meisten Fällen also sogar eine rechtswidrige (gesetzwidrige) Äußerung vor.
  • Klar ist aber auch, dass das Wort wertneutral verwendet werden kann. Wer davon spricht, dass er „als Kind gerne Negerküsse gegessen hat“, oder von „Negern, Weißen und Asiaten“ schreibt, die gemeinsam „die Menschheit bilden“, vermittelt gar kein Werturteil. Und die Aussage, dass „Neger einfach die besseren Läufer“ seien, ist eindeutig positiv. Solche Äußerungen konnten also schon nicht einmal unter die üblichen Regelungen zu (angeblicher) „Hassrede“ fallen, die stets voraussetzen, dass irgendjemand herabgewürdigt wird.
  • Die dritte Gruppe der Wortverwendung ist die Berichterstattung oder kommentarlose Dokumentation. Ein Facebook-Nutzer, der lediglich berichtet, dass irgendjemand das Wort verwendet und dies zu irgend etwas geführt habe, bringt ebenfalls keinerlei Wertung zum Ausdruck – und damit fallen solche Dokumentationen ebenfalls niemals unter den Begriff der „Hassrede“.
  • Schlussendlich gibt es dann noch den schwarzen Humor – eine Kategorie, die auch bei manchen Richtern offenbar einfach nicht vorzukommen scheint. Diese Kategorie ist rechtlich die schwierigste, weil auch ein Witz als Transportmittel für eine abwertende Botschaft dienen und damit sogar rechtswidrig sein kann. Dennoch gilt aber für die meisten Witze, dass es eben schlicht Witze sind, die lediglich zum Lachen anregen sollen. Der rechtlich wichtigste Gesichtspunkt ist indes, dass ein Witz selten auf eine bestimmte Person oder Gruppe zielt, sondern die abstrakt bezeichneten Personen stets nur als Staffage für den Witz selbst dienen. Es fehlt also meistens schon am Kriterium des betroffenen Dritten.

Wir wollen nicht verhehlen, dass es in diesem Bereich durchaus gerichtliche Fehlentscheidungen gibt und müssen daher immer empfehlen, beim Streit mit Facebook oder Youtube immer auch die Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde ins Auge zu fassen. Dennoch gilt, dass zumindest die Mehrzahl der Gerichte in der Lage ist, die juristische Differenzierung durchzuführen.

Sperren für Kommentare ohne Rücksicht auf den Kontext

Vor allem Facebook dagegen sperrt regelmäßig Nutzer für die bloße Verwendung des Begriffes „Neger“ – ohne den Zusammenhang überhaupt zu berücksichtigen. Selbst harmlose Sätze, oder sogar Aussagen wie „Neger sind einfach die besseren Läufer“ fallen der Zensurmaschine zum Opfer. Dass diese Sperren durch den Algorithmus rechtswidrig sind, ist dabei schon längst entschieden.

Bereits 2019 konnte REPGOW vor dem Brandenburgischen Oberlandesgericht eine einstweilige Verfügung gegen Facebook erwirken (die Vorinstanz hatte das aus rein politischen Erwägungen noch abgelehnt). Ausgangspunkt der Entscheidung war, dass ein Nutzer von Facebook zunächst wegen eines (bis heute unbekannten) Beitrages gesperrt wurde, in dem das N-Wort vorkam. Der Nutzer postete daraufhin folgenden Satz:

„Mich haben sie 30 Tage gesperrt, weil ich das Wort ‚Neger‘ verwendet habe.“

Facebook sperrte den Nutzer daraufhin erneut – wieder für 30 Tage. Das OLG verbot Facebook auf Antrag von REPGOW erneute Sperren. Damit wollte sich der Konzern nicht zufrieden geben, und REPGOW zog daher auch in der Hauptsache vor Gericht. Auch diesmal musste das Verfahren über zwei Instanzen geführt werden, weil Facebook auch auf richterliche Hinweise nicht bereit war, von der eigenen Position abzurücken.

Entscheidung des Brandenburgischen OLG

Letzten Endes verwarf das Brandenburgische OLG nach langen Debatten und Stellungnahmen die Berufung von Facebook und führte aus:

„Soweit die Beklagte in ihrer Stellungnahme erneut ausführt, dass der Begriff „Neger“ gemeinhin herabwürdigend und beleidigend verstanden wird und diesem eine diskriminierende Wirkung gegenüber anderen zukommt, ist erneut darauf hinzu-
weisen, dass der Senat diese Auffassung in vollem Umfang teilt.  […] Gerade nach diesen Maßstäben aber kann der Verwendung des Wortes „Neger“ mit der neutralen Beschreibung als Anlass zu der Sperrung durch die Beklagte keine diskriminierende oder verunglimpfende Wirkung beigemessen werden. […]  Vielmehr bleibt die Verwendung auch eines grundsätzlich herabwürdigenden und beleidigenden Begriffes zur schlichten Mitteilung eines tatsächlichen Geschehens – auch nach den Gemeinschaftsstandards der Beklagten – zulässig, wenn sich nicht aus den Umständen eine diskriminierende Zielrichtung ergibt.  Ob der verwendete Begriff tatsächlich abwertend gemeint ist, kann nur aus dem Zusammenhang beurteilt werden“

Die Revision zum BGH ließ das OLG (in diesem Punkt zu Recht) nicht zu, die Entscheidung ist seit April 2020 rechtskräftig. Damit konnte sich REPGOW voll durchsetzen – das bloße Verwenden eines Wortes darf von Facebook nicht unterbunden werden.

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